Ein Rundgang durch das jüdische Dieburg
In der Nacht vom 09. auf den 10. November 1938 brannten Synagogen an unzähligen Orten des Deutschen Reiches, in Österreich und in der Tschechoslowakei. Organisierte Schlägertrupps zogen durch Gemeinden und Städte, um jüdische Geschäfte zu zerstören, Wohnungen zu verwüsten und Menschen jüdischen Glaubens zu misshandeln. Tausende Juden wurden verfolgt, verschleppt und getötet. Spätestens an diesem Tag konnte jeder sehen, dass Antisemitismus und Rassismus bis hin zum Mord staatsoffiziell geworden waren.
Die Klassen G10b und G10d unternahmen im Rahmen des Geschichtsunterrichts einen Stadtrundgang durch Dieburg. Sie lernten, dass sich die jüdische Geschichte in Dieburg bis in das 14. Jahrhundert nachverfolgen lässt. Viele Wohnhäuser und Wohnungen befanden sich in der heutigen Zuckerstraße bzw. auf dem Markt. Zunächst dienten kleinere Gebäude als Betraum, so beispielsweise auch die Zuckerstraße 17, wo die Klassen Halt machten, bevor sie anschließend Richtung Sparkasse bzw. Volksbank liefen. Die erste Synagoge wurde am Markt im Jahr 1869 eingeweiht und schließlich durch einen modernen Neubau im Jahr 1929 ersetzt. In der Reichspogromnacht bekam die SA-Brigade in Darmstadt den Befehl, sämtliche Synagogen im Gebiet anzuzünden oder zu sprengen. Die Aktion sei in zivil auszuführen. Die Dieburger Synagoge brannte nicht, jedoch wurde deren Inneneinrichtung zerstört. Am 10. November kam es zu Ausschreitungen gegen die Dieburger Juden. Berichten zufolge kam es zu Gewalttaten gegen Sachen und Menschen. Zahlreiche Dieburger Juden wurden von der Polizei in „Schutzhaft“ genommen und am Folgetag zusammen mit anderen Menschen jüdischen Glaubens aus Nachbarorten in das Konzentrationslager Buchenwald gebracht. Die Verhaftung und Diffamierung sollten einen Auswanderungsdruck bei der jüdischen Bevölkerung erzeugen.
Die Schülerinnen und Schüler begutachteten Kennkarten von jüdischen BürgerInnen, welche die Namenszusätze „Sarah“ und „Israel“ sowie ein rotes „J“ aufwiesen und lernten von den lokalen antijüdischen Maßnahmen, so z.B. vom Boykott jüdischer Geschäfte, der Zwangsarbeit im Steinbruch Roßdorf, den Entlassungen, den Schulverweis, dem Verbot vom Betreten des Schlossgartens und der Diffamierung von jüdischen Frontsoldaten.
Schließlich zündeten die beiden Klassen Kerzen vor der heutigen Sparkasse und am Landratsamt an und legten Kieselsteine auf dem Sockel des Gedankensteins nieder. In einer Schweigeminute gedachten die Zehntklässler den Opfern des Nationalsozialismus und endeten die Geschichtsstunde mit dem Gedanken von Max Mannheimer, einem Holocaust-Überlebenden: „Ihr seid nicht schuld an dem, was war, aber verantwortlich dafür, dass es nicht mehr geschieht.“.